Finanzminister Eichel unter Beschuss
Kritik an Steuerplänen kommt auch von Rot-Grün
Die Steuererhöhungspläne von SPD und Grünen geraten kurz vor Beginn der Koalitionsverhandlungen immer heftiger unter Beschuss. Die unionsregierten Länder kündigten an, die Pläne im Bundesrat kippen zu wollen. Auch aus der SPD und dem Bundeswirtschaftsministerium regte sich Kritik. Wirtschaft und Opposition hatten höhere Tabak- und Erbschaftsteuern sowie eine neue Vermögensteuer als "Schwachsinn" oder "Wahlbetrug" attackiert. Das Bundesfinanzministerium wies unterdessen einen Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" als "wilde Spekulation" zurück, wonach Finanzminister Hans Eichel (SPD) einen Nachtragshaushalt plant.
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Müller und Schartau: Höhere Ökosteuer ist Gift
Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) und der nordrhein-westfälische SPD-Chef Harald Schartau wandten sich gegen eine weitere Erhöhung der Ökosteuer. "Die Ökosteuer hat nach der bereits für 2003 beschlossenen Erhöhung ein Niveau erreicht, bei dem man sie vorerst belassen sollte", sagte Müller der "Welt am Sonntag". Schartau meinte in der "Bild am Sonntag": "Jede Art von Steuererhöhung wäre pures Gift für die Konjunktur." Eichel dürfe bei seinem Sparkurs nicht locker lassen. "Die Konsolidierung der Haushalte ohne Steuererhöhung ist absolut vordringlich."
Müntefering gegen Erhöhung der Ökosteuer
Auch SPD-Fraktionschef Franz Müntefering sprach sich gegen eine weitere Erhöhung der Ökosteuer aus. "Die klassische Ökosteuer, so wie wir sie jetzt haben, wird bleiben, aber über den 1. Januar 2003 hinaus nicht weiter erhöht", sagte er der "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". Müntefering widersprach damit der Auffassung von Teilen des grünen Koalitionspartners, die sich eine weitere Erhöhung vorstellen können. Er erwarte, dass die Position der SPD am Ende "auch das Ergebnis sein wird". Steuererhöhungen werden bei den Koalitionsverhandlungen am Montag auf jeden Fall zur Sprache kommen. "Wir werden darüber reden", sagte Müntefering.
Opposition wollen im Bundestag blockieren
Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sagte der "Bild am Sonntag", die Union wolle im Bundesrat zwar grundsätzlich keine Blockadepolitik betreiben. "Steuererhöhungen sind mit uns aber ganz sicher nicht zu machen." Nach Informationen der "Welt am Sonntag" entspricht Kochs Haltung auch der Meinung anderer CDU/CSU-Ministerpräsidenten. So hätten auch Erwin Teufel (Baden-Württemberg), Georg Milbradt (Sachsen), Jochen Vogel (Thüringen, alle CDU) und Bayerns Staatsminister Erwin Huber (CSU) erklärt, dass ihre Länder Steuererhöhungen im Bundesrat ablehnen wollen.
Ministerium dementiert konkrete Pläne
Ohne Unterstützung aus unionsregierten Ländern könnten eine Erhöhung der Erbschaftsteuer und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer - neben der nicht zustimmungspflichtigen Anhebung der Tabaksteuer - nicht umgesetzt werden. Die Sprecherin des Bundesfinanzministeriums nannte Meldungen über konkrete Steuererhöhungspläne Mutmaßungen. Zunächst müssten am Montag die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen beginnen.
Medien: Eichel will erhebliche Erhöhungen
Nach Informationen von "Focus" und "Spiegel" will Eichel umfangreiche Steuererhöhungen und Einsparungen vorschlagen. Sie würden den Sparerfreibetrag, die Eigenheimzulage sowie die Pauschalbesteuerung von Lebensversicherungen betreffen. Auch eine Ökosteuer in Höhe von zehn statt 3,07 Cent pro Liter Benzin und Diesel im kommenden Jahr und eine Einschränkung oder Abschaffung der Entfernungspauschale von 40 Cent pro Kilometer stehe zur Debatte.
Zusätzliche Belastungen in Zeiten der Wirtschaftskrise
Auch Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt warnte in der Chemnitzer "Freien Presse" "nachdrücklich davor, die Steuerschraube weiter anzuziehen". Die Verschiebung der Steuerreform wegen der Flut, die Anhebung der Körperschaftsteuer sowie die nächste Stufe der Ökosteuer fielen bereits mitten in eine schwere Wirtschaftskrise. Die Regierung müsse in der Lage sein, wenigstens ein Prozent der öffentlichen Ausgaben für ein Jahr über Einsparungen und Umschichtungen zu finanzieren, um Steuererhöhungen zu vermeiden.
Mit höheren Steuern Haushaltslöcher stopfen
Mit den höheren oder wieder eingeführten Steuern sollen Bund und Länder ihre dramatischen Haushaltslöcher schließen. Über Fehlbeträge sowie die Möglichkeit eines weiteren Sparpaketes will Bundesfinanzminister Hans Eichel zum Auftakt der Koalitionsverhandlungen am Montag berichten. Dann werde Eichel auch für die Haushaltsplanung 2003 nur noch ein Wachstum von 1,5 statt bisher 2,5 Prozent zu Grunde legen.
Neue Vermögenssteuer?
Die SPD-Ministerpräsidenten von Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, Sigmar Gabriel und Kurt Beck, schlugen vor, die Erbschaftsteuer weiter zu erhöhen und die 1997 abgeschaffte Vermögensteuer wieder einzuführen, um im Gegenzug "gleiche Bildungschancen für alle" zu finanzieren. Vier Milliarden Euro soll die Erhöhung in die Kassen spülen, hoffen die SPD-Politiker. In Länderkreisen hieß es, der Vorschlag sei mit Bundeskanzler Gerhard Schröder besprochen und von ihm gebilligt. In der Koalition hingegen werden dem Vorstoß wenig Chancen zugebilligt.
Rauchen gegen klamme Kassen
Nach dem Willen von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt soll die Regierung auch bei der Tabaksteuer zulangen. So sollen die 17 Millionen Raucher von 2003 an mit einer weiteren Erhöhung bis zu 5 Cent je Zigarette belastet werden, was nach Schätzung des Bundes gut fünf Milliarden Euro in die Kasse brächte. Schmidt will daraus Gesundheitskampagnen auch zur Krebsvorsorge finanzieren. Einschließlich Mehrwertsteuer würde sich die Automatenpackung mit 20 Zigaretten von 3 Euro auf mehr als 4,50 Euro verteuern, rechnete der Verband der Cigarettenindustrie vor. Dies wäre binnen 14 Monaten die vierte Tabaksteuererhöhung, so die Kritik.
Streit um Mehrwertsteuer
Grünen-Chef Fritz Kuhn warnte indes vor einer Erhöhung der Mehrwertsteuer, die offenbar auch im Gespräch ist. Das wäre "völlig falsch". Statt dessen gehöre auch das Abschmelzen des Ehegatten-Splittings auf den Tisch. Die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn verlangte Klarheit über die Ziele der Ökosteuer. Ansonsten "gibt es unheimlich viel Widerstand dagegen", sagte die Grünen-Politikerin im Deutschlandfunk. Eine weitere Erhöhung wollte sie nicht ausschließen.
http://t-news.t-online.de/zone/news...rerhoehung.html